Reichsgesetzblatt Teil I S. 987
Ausgegeben zu Berlin, den 24. November 1933
[Ohne Gewähr!]
Tierschutzgesetz
vom 24. November 1933
Abschnitt I
Tierquälerei
§1
(1) Verboten ist, ein Tier unnötig zu quälen oder roh zu misshandeln.
(2) Ein Tier quält, wer ihm länger dauernde oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden verursacht; unnötig ist das Quälen, soweit es keinem vernünftigen, berechtigten Zwecke dient. Ein Tier mißhandelt, wer ihm erhebliche Schmerzen verursacht; eine Mißhandlung ist roh, wenn sie einer gefühllosen Gesinnung entspringt.
Abschnitt II
Vorschriften zum Schutze der Tiere
§2
Verboten ist,
§ 3
Die Einfuhr kupierter Pferde ist verboten. Der Reichsminister des Innern kann in besonders begründeten Fällen Ausnahmen zulassen.
§ 4
Die Verwendung von Einhufern unter Tag ist nur mit Genehmigung der zuständigen Landesbehörde gestattet.
Abschnitt III
Versuche an lebenden Tieren
§ 5
Verboten ist, Eingriffe oder Behandlungen, die mit erheblichen Schmerzen oder Schädigungen verbunden sind, an lebenden Tieren zu Versuchszwecken vorzunehmen, soweit nicht die Vorschriften der §§6 bis 8 etwas anderes bestimmen.
§6
(1) Der Reichsminister des Innern kann auf Vorschlag der zuständigen Reichs- oder obersten Landesbehörden bestimmten wissenschaftlich geleiteten Instituten oder Laboratorien die Erlaubnis zur Vornahme wissenschaftlicher Versuche an lebenden Tieren erteilen, sofern der wissenschaftliche Leiter über die erforderliche fachmännische Ausbildung und Zuverlässigkeit verfügt, geeignete Einrichtungen für die Vornahme der Tierversuche vorhanden sind und Gewähr für gute Wartung und Unterbringung der Versuchstiere gegeben ist.
(2) Der Reichsminister des Innern kann dier Erteilung der Erlaubnis anderen obersten Reichsbehörden überlassen.
(3) Die Erlaubnis kann jederzeit ohne Entschädigung zurückgezogen werden.
§ 7
Bei Ausführung der Tierversuche (§5) sind folgende Vorschriften zu beobachten:
§ 8
Den Vorschriften der §§5 bis 7 unterliegen nicht Tierversuche für Belange der Rechtspflege sowie Impfungen und Blutentnahmen an lebendne Tieren zum Zwecke der Erkennung von Krankheiten der Menschen oder Tiere oder zur Gewinnung oder Prüfung (Wertbestimmung) von Seren oder Impfstoffen nach bereits erprobten oder staatlich anerkannten Verfahren. Doch sind auch diese Tiere alsbald schmerzlos zu töten, wenn die unter erheblichen Schmerzen zu leiden haben und die Tötung mit dem Zwecke des Versuchs vereinbar ist.
Abschnitt IV
Strafbestimmungen
§9
(1) Wer ein Tier unnötig quält oder roh mißhandelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft.
(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Abs. 1, ohne die erforderliche Erlaubnis einen Versuch an lebenden Tieren (§5) vornimmt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft.
(3) Mit Geldstrafe bis zu einundertfünfzig Reichsmark oder mit Haft wird, soweit die Tat nicht schon unter die Strafdrohung der Abs. 1, 2 fällt, bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig
§ 10
(1) Neben der wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung aufgrund von §9 erkannten Strafe kann auf EInziehung oder auf Tötung des Tieres erkannt werden, wenn es dem Verurteilten gehört. Statt der EInziehung kann angeordnet werden, daß das Tier auf Kosten des Verurteilten bis zur Dauer von drei Monaten anderweit untergebracht und verpflegt wird.
(2) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf Einziehung oder Tötung des Tieres selbstständig erkannt werden, wenn im übrigen die Vorraussetzungen hierfür vorliegen.
§ 11
(1) Ist jemand wiederholt wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung auf Grund von §9 rechtskräftig verurteilt worden, so kann ihm die zuständige Landesbehörde die Haltung von bestimmten Tieren oder die berufsmäßige Beschäftigung oder den Handel mit ihnen auf Zeit oder Dauer untersagen.
(2) Nach Ablauf eines Jahres seit der Rechtskraft der Untersagungsanordnung kann die zuständige Landesbehörde die Anordnung wieder aufheben.
(3) In der Haltung, Pflege oder Unterbringung schuldhaft erheblich vernachlässigte Tiere können durch die zuständige Landesbehörde ihrem Besitzer fortgenommen und so lange anderweit pfleglich untergebracht werden, bis die Gewähr für eine einwandfreie Tierhaltung vorhanden ist. Die Kosten dieser Unterbringung sind dem Schuldigen aufzuerlegen.
§ 12
Ist in einem Strafverfahren zweifelhaft, ob die Tat unter ein Verbot des § 2 Nr. 1 oder 2 fällt, so sollen hierüber in einem möglichst frühen Abschnitt des Verfahrens der beamtete Tierarzt und, soweit es sich um landwirtschaftliche Betriebe handelt, der Reichsnährstand gehört werden.
Abschnitt V
Schlußbestimmungen
§ 13
Unter Betäubung im Sinne dieses Gesetzes sind alle Verfahren zu verstehen, die allgemein schmerzlos machen oder örtlich die Schmerzempfindung ausschalten.
§ 14
Der Reichsminister des Innern kann zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Soweit er von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht, können die Landesregierungen die erforderlichen Durchführungsvorschriften erlassen.
§ 15
Dieses Gesetz tritt am 1. Februar 1934 in Kraft mit Ausnahme des § 2 Nr. 8 und 11 und des § 3, für die der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft den Zeitpunkt des Inkrafttretens festsetzt.
Die §§ 145b und 360 Nr. 13 des Strafgesetzbuches treten am 1. Februar 1934 außer Kraft.
Die Bestimmungen des Vogelschutzgesetzes vom 30. Mai 1908 (Reichsgesetzbl. S. 314) bleiben unberührt.
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